Navigieren in Biel

Anne-Claire Schott, Winzerin

Winzerin Anne-Claire Schott aus Twann setzt seit 2016 auf eigenständige Weine. Auf den Klimawandel reagiert sie mit biodynamischen Mitteln.

«Biodiversität ist der Schlüssel im Kampf gegen den Klimawandel»

Anne-Claire Schott, Winzerin sitzend in den Reben
Anne-Claire Schott, Winzerin

Welche Auswirkungen hat der Klimawandel auf Ihren beruflichen Alltag als Winzerin?

Der Klimawandel führt zu extremeren Wetterbedingungen, das spüren wir sehr stark: kältere Winter, wärmere Sommer, stärkere Regenfälle und Hagelzüge. 2020 war es extrem heiss, und die Weine waren kompottartig, überreif und alkoholisch. Und 2021 war es kalt und regnerisch, und die Reife der Trauben war an der unteren Grenze. Das stellt hohe Anforderungen an die Arbeit im Weinberg und an die Vinifikation. Man muss sehr aufmerksam sein und schnell reagieren.

Die Bielerseeregion liegt am nördlichen Rand der Klimazone, die sich für Weinbau eignet. Profitieren die Winzerinnen und Winzern hier nicht von der Klimaerwärmung?

Nein, denn wir haben ja auch zunehmend mit Wetterextremen zu kämpfen. Immerhin haben wir aber nicht die gleichen Probleme wie unsere Kolleginnen und Kollegen im Süden, denen die Hitze und der Wassermangel sehr zusetzen.

Traubensorten wie Malbec, Merlot oder Syrah hatten es in unserer Region lange schwer – jetzt gedeihen sie. Wird das bei den produzierten Weinen zu einem Wandel führen?

Wir könnten tatsächlich andere Traubensorten anbauen, denn mit den traditionellen Sorten Pinot Noir und Chasselas stossen wir wegen der Klimaerwärmung an Grenzen. Die südlichen Sorten werden aber immer noch nicht ganz reif, wie das aktuelle Jahr zeigt. Das unstete Klima ist für keine Traubensorte optimal, und ein Wechsel auf eine andere Sorte braucht immer fünf Jahre.

Erleichtert der Klimawandel den biologischen Anbau?

Nein. Aber der biologische Weinbau hilft dabei, sich an den Klimawandel anzupassen. Man begleitet und beobachtet die Pflanzen aufmerksamer, muss feinfühlig sein und spontan reagieren. Das macht es einfacher, auf das Klima einzugehen. Wenn das Klima verrückt spielt, kann man nicht systematisch vorgehen, wie es der konventionelle Weinbau vorsieht.

Wie reagieren Sie im Weinberg auf den Hitzestress, dem die Reben in den immer trockeneren und heisseren Sommern ausgesetzt sind, und auf Hagelzüge oder Stürme?

Gegen Hagelstürme können wir nichts tun: Da versuchen wir einzig die Schäden an den Reben so klein wie möglich zu halten. Die Ernte ist aber trotzdem verloren. Bei extremer Hitze können wir dank Seewasser die Reben bewässern, und wir profitieren auch von der Begrünung zwischen den Stöcken: Sie verhindert, dass das Wasser schnell verdunstet und der Boden austrocknet und hilft auch gegen die Erosion.

Fachleute gehen davon aus, dass wegen neuen Schädlingen und Stressfaktoren im konventionellen Weinbau mehr Chemie eingesetzt werden muss. Welche Einflussmöglichkeiten haben Sie als biodynamische Winzerin?

Chemie ist keine Lösung. Chemie ist ein Teufelskreis. Es braucht immer mehr davon, und die Pflanze wird dadurch immer weiter geschwächt. Der Schlüssel im Kampf gegen den Klimawandel ist Biodiversität und ein ausgewogenes Bodenklima. Gegen die Hitze sollte man in den Rebbergen mehr Bäume pflanzen. Den Reben am Waldrand geht es wegen des Schattens und der Feuchtigkeit viel besser als jenen mitten im Weinberg. Am Bielersee ist die Situation aber schon recht gut: Wir sind eine kleine Weinbauregion mit vielen Rebmauern und angrenzenden Wäldern. Generell sollten wir die Monokulturen durchbrechen und auch bei den Rebklonen auf mehr Diversität setzen. Biodiversität ist der Schlüssel!

Anne-Claire Schott

Anne-Claire Schott übernahm 2016 den elterlichen Weinbaubetrieb in Twann. Zuvor studierte sie Soziologie und Kunstgeschichte, lebte in Indien, Südamerika und in den USA und liess sich in Changins zur Önologin ausbilden. Das Weingut, das 4 Hektaren mit steilen Terrassenlagen umfasst, stellte sie auf biologisch-dynamischen Anbau um und erhielt 2021 das Demeter-Label. In ihrem Sortiment spielen Naturweine und Orange-Weine eine wichtige Rolle.